Die Häresie des Papismus von Konstantinopel
Invasion in die Ukraine
Die Entscheidung des Patriarchen Bartholomaios von Konstantinopel, in die Ukraine einzufallen, löste für die gesamte Orthodoxe Kirche gewaltige Erschütterungen aus, die seit vielen Monaten nicht aufhören. Orthodoxe aus verschiedenen Ländern beobachten mit Unverständnis und Schrecken, wie der Vorsteher einer verehrten Kirche plötzlich kundmacht, dass das, was alle ohne Ausnahme seit mehr als 300 Jahren als Teil einer anderen Kirche anerkannten, sein kanonisches Territorium sei, und jene, die alle orthodoxen Kirchen als Schismatiker ansahen, zum Teil einer kanonischen Kirche erklärt, wobei er zugleich droht, diejenigen zu Schismatikern zu erklären, mit denen alle Ortskirchen in der eucharistischen Einheit bleiben.
Und dabei merkt Patriarch Bartholomaios angeblich nicht, dass seine Handlungen das Schwungrad staatlicher Verfolgungen gegen die kanonische Kirche der Ukraine gestartet haben. Denn „das Erhalten des Tomos“ ist einer der wichtigsten Wahlprogrammpunkte des derzeitigen ukrainischen Präsidenten, der für eine zweite Amtsperiode gewählt werden will. Und so werden die Bischöfe der kanonischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche von weltlichen Beamten zur Rechenschaft aufgefordert, wobei diese ihnen Briefe des Konstantinopler Patriarchen übergeben; Priester werden zu „prophylaktischen Gesprächen“ beim Sicherheitsdienst – dem ukrainischen KGB-Nachfolger – vorgeführt, und Mönchen wird die Verbannung aus ihren Klöstern angedroht.
Patriarch Bartholomaios nennt seine Handlungen „Gewährung der Autokephalie für die Ukraine“, aber dabei sind zwei Drittel der ukrainischen Orthodoxen Gemeindemitglieder jener Kirche, die bei ihm um keine Autokephalie ersucht hat, und die sich weigert, diese zu entgegen zu nehmen. Wir sehen hier vielleicht erstmals in der Geschichte eine aufgezwungene „Autokephalie-Erteilung“, was in vieler Hinsicht zum Nachdenken veranlasst.
In den vergangenen Monaten sind viele kritische Artikel und Ansprachen aus verschiedensten Ortskirchen bezüglich der Handlungen des Patriarchats von Konstantinopel erschienen. Erschienen sind auch apologetische Artikel seiner Repräsentanten, und die Kontroverse vertiefte sich bald im Labyrinth der Geschichte, wenn dem Leser verschiedene Interpretationen dieser oder jener Wortkombination aus einem Text des XVII. Jahrhunderts angeboten werden. Diese Themen sind ja zweifellos wichtig, aber viel wichtiger ist es doch, die Geschehnisse in einem breiterem Kontext in den Blick zu nehmen und zu verstehen, welche Gründe die entstandenen Erschütterungen haben. Dazu muss man auf zwei Fragen eine Antwort finden.
Erste Frage:
Sind die heutigen Handlungen des Patriarchats von Konstantinopel in der Ukraine etwas noch nie da gewesenes?
Leider nicht. Eine ähnliche Invasion fand in Estland 1996 statt, als Patriarch Bartholomaios die dortigen Schismatiker in die Kommunio aufgenommen hat. Es sei schon vorweggenommen, dass es ein Fehler wäre, eine Erklärung für diese Aktionen in der Person dieses konkreten Patriarchen zu suchen, denn ähnliche Handlungen wurden bereits von seinen Vorgängern seit den 1920er Jahren begangen – angefangen vom berüchtigten Patriarchen Meletios IV. (Metaxakis). Er hat sich 1923 die Gemeinden der Russischen Orthodoxen Kirche in Finnland und in Estland angeeignet, indem er diese seiner eigener Jurisdiktion unterstellt hat, und im Jahr darauf hat er die Diözesen in Polen von der Russischen Kirche losgelöst, indem er eigenmächtig ihre „Autokephalie“ erklärt hat. Im Jahre 1936 hat der Patriarch von Konstantinopel seine Jurisdiktion über Lettland deklariert, und fünf Jahre davor hat er gegen den Willen der Russischen Orthodoxen Kirche die russischen Emigrationsgemeinden in Westeuropa in seine eigene Jurisdiktion einbezogen, indem er sie in sein eigenes Exarchat umwandelte (das jüngst von Patriarch Bartholomaios abgeschafft wurde).
Hier gilt es darauf hinzuweisen, dass die erwähnten Aktionen zur Invasion und Besitzergreifung gerade zu einer Zeit vorgenommen wurden, als die Orthodoxe Kirche in Russland in buchstäblichem Wortsinn ausblutete, da sie beispiellose Verfolgungen seitens des gottlosen Staats zu erdulden hatte. Während die Kommunisten Kirchen und Klöster der Russischen Orthodoxen Kirche innerhalb der UdSSR einnahmen, tat das Patriarchat von Konstantinopel dies außerhalb ihrer Grenzen.
Es wäre aber falsch zu meinen, dass derartige Aktionen nur in Bezug auf die Russische Orthodoxe Kirche vorgenommen wurden. In den 1920er Jahren gelang es dem Patriarchat von Konstantinopel, die kirchliche Präsenz der Kirche von Griechenland (Hellas) in den Vereinigten Staaten und Australien zu beenden, 1986 gelang es ihm, das Amerikanische Exarchat der Alexandrinischen Kirche abzuschaffen und zu absorbieren, und zuletzt – im Jahr 2008 – erreichte Patriarch Bartholomaios den Verzicht der Kirche von Jerusalem auf ihre Gemeinden in den USA und ihre Überführung in die Jurisdiktion von Konstantinopel.
Doch nicht alle derartige Handlungen endeten mit einem Sieg: Patriarch Photios II. von Konstantinopel bemühte sich beispielsweise 1931 erfolglos, die Auslandsgemeinden der Serbischen Kirche in seine eigene Jurisdiktion zu überführen. Er schrieb dem Serbischen Patriarchen Varnava: „Alle Kirchengemeinden in der Diaspora und außerhalb der Grenzen der Orthodoxen Autokephalen Kirchen, gleich welcher Nationalität, sollten unserem Heiligsten Patriarchenthron kirchlich untergeordnet sein“. Die Serbische Kirche hat aber diesen Forderungen nicht nachgegeben, ebenso wenig wie die Rumänische Kirche.
Während sich die Bemühungen der Patriarchen von Konstantinopel im XX. Jahrhundert vor allem auf die Unterwerfung der orthodoxen Diaspora konzentrierten, so hat im XXI. Jahrhundert die Expansion schon in die Gebiete der Autokephalen Kirchen selbst angefangen.
Im Hinblick auf die Kritik seiner Handlungen in der ukrainischen Frage hat Patriarch Bartholomaios neuerdings versucht, diese mit nationalen Differenzen zu erklären, wobei es angeblich darum gehe, dass „unsere Brüder-Slawen den Primat des Ökumenischen Patriarchats und unserer Ethnie in der Orthodoxie nicht tolerieren können“. Diese rassistische Aussage, die unter die Definition der Ketzerei des Ethnophyletismus fällt, wurde im Hinblick darauf gemacht, Unterstützung in der griechischen Gesellschaft zu gewinnen – als eine Art Versuch, mit dem Gefühl der nationalen Solidarität zu spielen. Sie spiegelt jedoch nicht die tatsächliche Situation wider, insofern das Patriarchat von Konstantinopel gegenüber den anderen griechischen Kirchen nicht weniger brutal agierte als in Bezug auf die Russische Kirche.
So hat z.B. Patriarch Bartholomaios 2003 plötzlich von der Orthodoxen Kirche von Griechenland verlangt, 36 Diözesen in den sogenannten „neuen Territorien“ Griechenlands seiner Kontrolle zu übergeben – zumindest, was die Bischofsernennungen für diese Eparchien anbelangt. Die Synode der Kirche von Griechenland hat diese Forderung abgelehnt, und ihr damaliger Vorsteher, der Erzbischof von Athen Christodoulos, erklärte, dass eine derartige Unterordnung die Tatsache der autokephalen Existenz der Orthodoxen Kirche von Griechenland selbst diskreditiere.
Nachdem neue Bischöfe für diese Diözesen ohne seine Zustimmung ernannt worden waren, verkündete Patriarch Bartholomaios am 30. April 2004 den Bruch der eucharistischen Kommunio mit der Kirche von Griechenland. Als die Russische Kirche jüngst die Kommunio mit Konstantinopel als Protest und letztes Mittel zur Mahnung gegen die gesetzlose Invasion in ihr kanonisches Gebiet abbrach, kritisierten viele die Entscheidung als zu drastisch. Aber das Patriarchat von Konstantinopel hat dieselbe Maßnahme des Drucks selbst gegen eine andere – zudem auch noch griechische – Ortskirche benutzt.
Und die Kirche von Griechenland hat diesem Druck nicht standgehalten und sich letztlich unterworfen, indem sie die „neuen Territorien“ der Verwaltung durch das Patriarchat von Konstantinopel übergab. Lag es daran, dass ihre Bischöfe von der Richtigkeit der Handlungen von Patriarch Bartholomaios überzeugt worden waren? Nein! Die Griechische Kirche bezeichnete ihre Entscheidung als „einen Akt des Opfers zur Erhaltung des Friedens der Kirche».
Hat aber dieses Opfer tatsächlich geholfen, den Frieden zu erhalten? Leider nicht. Sogar die oben genannten historischen Fakten zeigen, dass die von verschiedenen Kirchen gemachten Opfer und Konzessionen den Appetit der Patriarchen von Konstantinopel nicht stillten, sondern diesen nur noch mehr entzündeten und ihn zu neuen Invasionshandlungen ermunterten.
Nach dem Einbruch ins kanonische Territorium der Kirche von Griechenland ist nun eine noch umfangreichere und offenkundigere Invasion in das kanonische Gebiet der Russischen Orthodoxen Kirche erfolgt, und zwar in das Gebiet der autonomen Ukrainischen Kirche. Und was wäre, wenn die Russische Kirche in diesem Konflikt nach dem Beispiel der Kirche von Griechenland gehandelt hätte? Hätte es den Appetit des Patriarchen von Konstantinopel gestillt und könnte man erwarten, dass keine andere Kirche von seiner Seite mehr einer solchen Gewalt ausgesetzt wird? Dass mit der Ukraine alles zu Ende ist?
Leider nicht. Patriarch Bartholomaios hat schon angedeutet, dass er vorhabe, etwas ähnliches auch in Makedonien zu tun, welches kanonisches Gebiet der Serbischen Orthodoxen Kirche ist. Von Anfang an wurden beide Fragen – die ukrainische und die makedonische – zusammen behandelt.
Am 9. April 2018 hat sich der Präsident der Ukraine Petro Poroschenko mit Patriarch Bartholomaios getroffen, und am 10. der Präsident von Makedonien Gjorge Ivanov. Beide Präsidenten haben um einen kanonischen Status für die schismatischen Gemeinschaften ihrer Länder gebeten. Und beide Präsidenten gaben am Ende ihrer Treffen mit dem Patriarchen optimistische Prognosen ab.
Am 30. Mai nahm die Synode des Patriarchats von Konstantinopel die „Prüfung des Status» der schismatischen „Makedonischen Orthodoxen Kirche» an, die genauso wie die ukrainischen Schismatiker einen Antrag auf Anerkennung stellte. Und am 11. Juni erklärte Patriarch Bartholomaios öffentlich: „Wenn die Mutterkirche nach Wegen zur Rettung unserer Brüder aus der Ukraine und aus Skopje sucht, erfüllt sie ihre apostolische Pflicht. Unsere Pflicht und Verantwortung besteht darin, diese Völker wieder zur kirchlichen Wahrheit und kanonischen Ordnung zurückzuführen.“
Alle diese Schritte wiesen darauf hin, dass Konstantinopel eine gleichzeitige Invasion in die Ukraine und in Makedonien intendiert, und zwar mit der Anerkennung der dortigen Schismatiker – gegen den Willen der Ortskirchen, deren kanonisches Territorium die erwähnten Länder sind. Allem Anschein nach haben gerade die äußerst harte Position der Russischen Orthodoxen Kirche, die sie in Bezug auf die Invasion in die Ukraine eingenommen hatte, sowie die offene Unzufriedenheit seitens anderer Ortskirchen Patriarch Bartholomaios jedoch gezwungen, den Einbruch in das Territorium der Serbischen Kirche zu verschieben. Es wurde beschlossen, zu der bereits bewährten Taktik zurückzukehren, indem man die Ortskirchen einzeln zerstört. Es steht aber fest, dass, wenn die Weltorthodoxie die in der Ukraine begangene Gesetzlosigkeit in Kauf nimmt, auch Makedonien an die Reihe kommt.
Aber wird die Kirche in Makedonien die letzte sein? Das ist eine rhetorische Frage, denn die Antwort liegt auf der Hand: Keine Ortskirche ist sicher vor der Invasion durch Konstantinopel. Wenn es auch gegenwärtig dazu keine Voraussetzungen dafür gibt, wie beispielsweise in Rumänien und in Bulgarien, so werden es Patriarch Bartholomaios oder seine Nachfolger ohne Zweifel nutzen, wenn sich die Situation ändert und sich die Gelegenheit ergibt.
Nach der Serbischen Kirche kommt höchstwahrscheinlich wegen der komplizierten Lage in Abchasien das Territorium der Georgischen Orthodoxen Kirche an die Reihe, wo es schon Schismatiker gibt, die eine Lösung der dortigen kirchlichen Frage durch die Anrufung des Patriarchats von Konstantinopel verfechten. Sie haben bereits die „Heilige Metropolie Abchasiens“ proklamiert, haben schon 2012 Patriarch Bartholomaios besucht und 2016 an ihn wiederholt eine Bitte „um Lösung des abchasischen Kirchenproblems“ gerichtet.
In den geopolitischen Bedingungen von heute ist eine solche Invasion zwar kaum wahrscheinlich, wenn sich künftig aber diese Bedingungen ändern, so wird es zweifellos geschehen und nichts wird den Patriarchen von Konstantinopel hindern, erneut zu sagen, dass er „seine apostolische Pflicht erfüllt“ zur „Rettung unserer Brüder“ aus Abchasien.
„Die neue ekklesiologische Konzeption“
Die Synode (Synaxis) des Patriarchats von Konstantinopel
Kommen wir nun zur zweiten Frage: Was steckt hinter allen diesen Handlungen der Patriarchen von Konstantinopel? Warum halten sie sich für berechtigt, auf diese Weise zu handeln und welchen Zwecke verfolgen sie dabei? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir nicht zu Verschwörungstheorien greifen oder Mutmaßungen anstellen; es genügt jene Worte zu beachten, welche öffentlich vorgetragen worden sind.
Hinter allen oben genannten Expansionsfällen sowie vielen anderen, die wir der Kürze des Textes willen nicht erwähnt haben, steckt eine ekklesiologische Sonderlehre von der exklusiven Stellung des Patriarchen von Konstantinopel in der Orthodoxen Kirche.
Anfang September hat Patriarch Bartholomaios in der Bischofssynode des Patriarchats von Konstantinopel erklärt, dass „für die Orthodoxie das Patriarchat von Konstantinopel als der Sauerteig dient, der den ganzen Teig (Gal. 5, 9) der Kirche und der Geschichte durchsäuert … der Beginn der Orthodoxen Kirche ist das Ökumenische Patriarchat, ‚in ihm ist das Leben und dieses Leben ist das Licht der Kirchen’. … Die Orthodoxie kann nicht ohne das Ökumenische Patriarchat existieren … der Ökumenische Patriarch ist wie der Kopf des orthodoxen Leibes … wenn das Ökumenische Patriarchat die interorthodoxe Bühne verlässt, so werden die Ortskirchen ‚wie Schafe, die keinen Hirten haben’ (Mt 9, 36).“
Man kann dies mit den Aussagen anderer Vertreter des Patriarchats von Konstantinopel ergänzen. So z. B. den Worten des Metropoliten von Adrianopolis Amphilochios: „Was wäre die Orthodoxe Kirche ohne das Ökumenische Patriarchat? Eine Art Protestantismus … es ist unglaubwürdig, dass eine Ortskirche … die Kommunio mit dem Ökumenischen Patriarchat abbricht, denn aus ihm fließt die Kanonizität ihrer Existenz».
Und so sagt Protopresbyter Georgios Tsetsis: „Der Patriarch von Konstantinopel – ob man es mag oder nicht – ist der Vorsteher der Orthodoxie, das sichtbare Zeichen ihrer Einheit und der Garant eines normalen Funktionierens der Institution, die wir ‚Orthodoxe Kirche’ nennen“.
Wie wir sehen, ist die Angelegenheit sehr weit gediehen. Wenn alles mit Behauptungen begann, dass ihm alle Kirchen in der Diaspora untergeordnet sein müssen, so stellt sich nun heraus, dass der Konstantinopler Patriarch der Vorsteher der ganzen Orthodoxie ist, der Kopf des orthodoxen Körpers, welchem alle Bischöfe aller Kirchen jurisdiktionell untergeordnet sind, und die Vorsteher der übrigen Kirchen sind für ihn wie Schafe ohne Hirten. Und ohne ihn wäre die Orthodoxe Kirche überhaupt nicht orthodox.
Ist es das, woran alle, immer und überall geglaubt haben? Erstaunen diese Behauptungen nicht jeden, der wenigstens ein wenig die Kirchengeschichte kennt? Wie bekannt, wurden sogar die Ansprüche auf einen exklusiven Primat des Bischofs von Rom von der orthodoxen Welt als Häresie abgelehnt, doch die Bischöfe von Konstantinopel haben noch weniger Grundlagen für derartigen Ansprüche. Zumindest deswegen, weil bis zum IV. Jahrhundert Konstantinopel noch gar nicht existierte. Wer war denn dann damals der Beginn, der Sauerteig, das Leben und das Licht der Kirche? Die Kirche ist zu einer ruhmvollen Zeitepoche ihrer Geschichte gut ohne das Patriarchat von Konstantinopel ausgekommen. Aber auch nach der Entstehung des Stuhls von Konstantinopel hatten ihn mehrfach Häretiker inne, wie wohl bekannt ist. Es wäre kein Fehler sein zu sagen, dass der Konstantinopler Stuhl häufiger von Häretikern besetzt wurde als jeder andere alte Patriarchenthron. Und diese Perioden dauerten jahrelang, manchmal jahrzehntelang. Wie kann man dann noch sagen, dass die Orthodoxie ohne das Ökumenische Patriarchat nicht existieren kann und dass gerade von ihm andere Kirchen ihren kanonischen Status bekommen? Im Gegenteil: In jener Zeit wurden Kanonizität und Zugehörigkeit zur Orthodoxie durch die fehlende Verbindung mit dem Thron von Konstantinopel (und natürlich durch die Bewahrung der Reinheit des Glaubens) bestimmt.
Wie man mühelos sehen kann, haben wir es mit einer neuen und falschen Lehre zu tun, die vom Ökumenischen Patriarchat verkündigt wird. Gerade diese Lehre ist die Quelle und zugleich theoretische Begründung für alle seine antikanonischen Invasionen im vergangenen Jahrhundert, beginnend mit Finnland und schließend mit der Ukraine.
Jegliche neue Irrehre, die in der Kirche auftauchte, stieß auf Abwehr und Kritik – so wird es auch mit der hier diskutierten Lehre sein.
Der heilige Bekenner-Patriarch von Moskau Tichon hat noch 1924 dem Patriarchen von Konstantinopel Gregorios VII. geschrieben: „Wir waren sehr verwirrt und erstaunt, dass … das Haupt der Konstantinopler Kirche, ohne vorherigen Kontakt mit uns als dem gesetzgemäßen Vertreter und Haupt der ganzen Russischen Orthodoxen Kirche, sich ins Innenleben und Angelegenheiten der Autokephalen Russischen Kirche einmischt. Die heiligen Konzilien (siehe die 2. und die 3. Regel des II. Ökumenischen Konzils u.a.) haben dem Bischof von Konstantinopel immer nur den Ehrenprimat zuerkannt, haben aber für ihn keinen Machtprimat anerkannt und erkennen ihn nicht an“.
Dies wurde als Antwort darauf gegeben, dass der Patriarch von Konstantinopel die damals von der kommunistischen Macht unterstützten Schismatiker-Erneuerer anerkannt und den hl. Tichon aufgerufen hatte, zurückzutreten und das Patriarchenamt in der Russischen Kirche abzuschaffen.
Der hl. Ioann Maksimowitsch wiederum hat 1938 angemerkt, dass die Entstehung der erwähnten Irrlehre in die Zeit fiel, da das Patriarchat von Konstantinopel fast sein ganzes Kirchenvolk auf seinem kanonischen Territorium als Ergebnis der Kriege zu Beginn des XX. Jahrhunderts verloren hatte. So beschlossen die Patriarchen von Konstantinopel, ihre Verluste durch die Expansion in andere Kirchen auszugleichen.
Nach den Worten des hl. Ioann wollte „das Ökumenische Patriarchat den Verlust von Diözesen, die aus seinem Machtbereich ausgeschieden waren, und den Verlust seiner politischen Bedeutung innerhalb der Türkei dadurch ausgleichen, dass es sich Regionen unterwirft, wo es bisher keine orthodoxe Hierarchie gab, sowie die Kirchen jener Staaten, wo die Regierung nicht-orthodox ist … Zugleich erfolgte die Unterwerfung einzelner Teile der Russischen Orthodoxen Kirche, welche von Russland abgetrennt worden sind … Ihre Wünsche nach Unterordnung der russischen Regionen ausweitend, begannen die Konstantinopler Patriarchen sogar die Illegalität des Beitritts Kiews zum Moskauer Patriarchat zu behaupten. … Ein weiterer konsequenter Schritt von Seiten des Ökumenischen Patriarchat wäre es, ganz Russland als unter der Konstantinopler Jurisdiktion stehend zu proklamieren“.
In der Praxis jedoch bietet, wie der hl. Ioann sagt, „das Ökumenische Patriarchat…., das die Bedeutung als Säule der Wahrheit verloren hat und selbst zur Quelle der Spaltung geworden ist und gleichzeitig von exorbitanter Machtgier ergriffen wird, ein erbärmliches Spektakel, das an die schlimmsten Zeiten der Geschichte des Konstantinopler Stuhls erinnert“.
Noch bestimmter benannte das erwähnte Problem der Schüler des ehrwürdigen Siluan vom Athos, Archimandrit Sofronij (Sacharow). Er hat 1950 geschrieben: „Zurzeit ist im Schoße unserer Heiligen Kirche die große Gefahr der Perversion der dogmatischen Lehre darüber aufgekommen… Ihr fragt: Wo ist nun diese Verzerrung sichtbar? Wir antworten: im Konstantinopler Neopapismus, der versucht, von der theoretischen Phase schnell in die praktische überzugehen…
(Die Anhänger dieser Lehre) haben zunächst das Jurisdiktionsvorrecht von Konstantinopel anerkannt … anschließend haben sie sein Recht als höchste Appellationsinstanz in der Weltkirche geltend gemacht, wobei sie vergessen, dass derartige Ansprüche Roms gerade zur großen und endgültigen Kirchentrennung geführt haben (1054) … Indem sie das römisch-katholische Entwicklungsprinzip verkünden, haben sie für Konstantinopel ein exklusives Recht auf die ganze Weltdiaspora proklamiert, indem sie dasselbe den übrigen autokephalen Kirchen gegenüber ihren Diasporen aberkennen … Konstantinopel betrachtet die anderen autokephalen Kirchen als ihm gegenüber Niedrigstehendere: Konstantinopel sei alles, es sei die Universalkirche, und die anderen seien nur Teile, und sie gehörten zur Unversalkirche nur aufgrund ihrer Verbindung mit Konstantinopel.
Welch echter Christ akzeptiert diese Worte? Und wenn, angenommen, kraft der einen oder anderen Katastrophe das Erste und das Zweite Rom von der Erde verschwinden würden, bliebe dann die Welt ohne wahre Verbindung mit Gott, sofern die uns mit ihm verbindenden Kettenglieder verschwunden sind? Nein, das ist eine fremde Stimme (Jo 10, 5). Das ist nicht unser christlicher Glaube.
Sollte man noch sagen, dass diese Form des Papismus auch eine ekklesiologische Häresie ist, ebenso wie der römische Papismus? Wir lehnen jegliches ‚Rom’ ab – das Erste und das Zweite und das Dritte – wenn es darum geht, das Prinzip der Unterordnung in die Existenz unserer Kirche einzuführen. Wir lehnen den Römischen, den Konstantinopler, den Moskauer, den Londoner, den Pariser, den New Yorker und jeden anderen Papismus ab als eine ekklesiologische Häresie, die das Christentum entstellt“.
Von diesem Problem haben nicht nur russische Kirchenautoren geschrieben, sondern auch die aus anderen Ortskirchen. So bemerkt z. B. Erzpriester Radomir Popowitsch aus der Serbischen Kirche nach der Darstellung der erwähnten Lehre der Kirche von Konstantinopel, dass „diese Denkweise an jene erinnert, die in Rom existiert … es geht hier bereits nicht nur um einen Ehrenprimat des Bischofs von Konstantinopel, sondern auch um ein ganzes Paket von Vorrechten exklusiver Autorität praktisch über die ganze orthodoxe Welt. Dies ist leider identisch mit den Ansprüchen des römischen Bischofs, so sprechen viele zu Recht vom Erscheinen eines neuen Papstes“.
Da sind weiter die Worte eines Bischofs der Kirche von Antiochien, des Erzbischofs von Australien und Neuseeland Paulus: „In informierten Kreisen ist gut bekannt, dass der Patriarch von Konstantinopel in der Kirchenhierarchie der Orthodoxen Kirche nicht dieselbe Stellung hat, welche der Bischof von Rom in der Katholischen Kirche innehat. Der Patriarch von Konstantinopel ist kein Papst von Rom im Osten. Auch ist in informierten orthodoxen Kreisen wohl bekannt, dass Patriarchen von Konstantinopel von Ökumenischen und von anderen Ortskonzilien zu Häretikern erklärt wurden … der Patriarch von Konstantinopel ist nicht die Stimme der Orthodoxie und darf nicht die Normen in der Orthodoxie festlegen“.
Seine Nichtzustimmung zu den Handlungen des Patriarchen Bartholomaios, die den heiligen Kanones widersprechen, Anfechtungen und Schismen erzeugen, hat auch der Metropolit von Kitira und Antikitira Seraphim aus der Kirche von Griechenland in seiner Erklärung ausgesprochen.
Man könnte noch mehr derartige Bewertungen anführen, auch von Vertretern anderer Ortskirchen. Aber die Ablehnung der genannten falschen Lehre des Patriarchats von Konstantinopel beschränkt sich nicht nur auf Worte von einzelnen Hierarchen und Priestern: Ihre konziliare Verurteilung hat bereits stattgefunden. Das geschah 2008 bei der Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche. In einer speziellen Erklärung wurde dazu gesagt:
„Die Synode bringt ein tiefes Bedenken in Bezug auf die Tendenzen … zum Ausdruck, die in den Ansprachen etlicher Repräsentanten der Heiligen Kirche von Konstantinopel vorkommen.
Indem diese Bischöfe und Theologen von einem Verständnis der 28. Regel des IV. Ökumenischen Konzils ausgehen, das die Fülle der Orthodoxen Kirche nicht teilt, entwickeln sie eine neue ekklesiologische Konzeption, welche zur Herausforderung für die gesamtorthodoxe Einheit wird. Laut dieser Konzeption: a) wird nur diejenige Ortskirche als der Weltorthodoxie zugehörend betrachtet, die in Kommunio mit dem Konstantinopler Stuhl steht; b) hat das Patriarchat von Konstantinopel ein exklusives kirchliches Jurisdiktionsrecht in allen Länder der orthodoxen Diaspora; c) vertritt in diesen Ländern das Patriarchat von Konstantinopel alleine die Meinungen und Interessen aller Ortskirchen vor der Staatsmacht; d) befindet sich jeder Bischof oder Kleriker, der seinen Dienst außerhalb des kanonischen Gebietes seiner Ortskirche trägt, unter der kirchlichen Jurisdiktion von Konstantinopel, auch wenn ihm dieses selbst nicht bewusst ist …; e) bestimmt das Patriarchat von Konstantinopel die geographischen Grenzen der Kirchen und darf, wenn seine Meinung mit der Meinung der einen oder anderen Kirche zu der betreffenden Frage nicht überein stimmt, auf dem Gebiet dieser Kirche seine eigene Jurisdiktion etablieren …
Eine solche Vision der eigenen Rechte und Vollmachten des Patriarchats von Konstantinopel steht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zur jahrhundertelangen Tradition des Kirchenrechtes, auf der die Existenz der Russischen Orthodoxen und anderer Ortskirchen beruht“.
Obgleich in diesem konziliaren Beschluss das Wort „Häresie“ aus Oikonomia selbst nicht ausgesprochen wird, wird dennoch die abgelehnte und verurteilte Lehre als eine „neue ekklesiologische Konzeption“ bezeichnet, was das Problem als ein zum Bereich der Dogmen und nicht nur der Kanones gehörendes markiert, denn die Ekklesiologie (die Lehre über die Kirche) ist Teil der Dogmatik. 2013 hat der Heilige Synod der Russischen Orthodoxen Kirche das Dokument „Zur Frage des Primats in der Universalkirche“ verabschiedet, in dem er klarmacht, warum er die neue Lehre des Patriarchats von Konstantinopel nicht akzeptiert:
„In der Heiligen Kirche Christi gehört der Primat in allem ihrem Haupt – dem HERRN und Erlöser Jesus Christus … Die unterschiedlichen Formen des Primats in der Kirche sind sekundär gegenüber dem ewigen Primat Christi als des Hauptes der Kirche … Auf der Ebene der Universalkirche als der Gemeinschaft der autokephalen Ortskirchen, die durch das gemeinsame Glaubensbekenntnis in eine Familie vereint und miteinander in der sakramentalen Kommunion sind, wird der Primat in Übereinstimmung mit der Tradition der heiligen Diptychen definiert und ist ein Primat der Ehre. … Die Ordnung der Diptychen wurde in der Geschichte verändert … Die kanonischen Regeln, auf die sich die heiligen Diptychen stützen, statten den Ersten nicht mit irgendwelchen Vollmachten im gesamtkirchlichen Maßstab aus … Die ekklesiologischen Entstellungen, die dem Ersten Bischof Steuerungsfunktionen auf der universalen Ebene zuschreiben, … haben die Bezeichnung ‚Papismus’ bekommen“.
Auch im neuerlichen Statement des Heiligen Synods der Russischen Orthodoxen Kirche vom 14. September 2018 werden die oben genannten Worte aus der Ansprache des Patriarchen von Konstantinopel so kommentiert: „Es fällt schwer, diese Äußerungen anders zu bewerten als einen Versuch, die orthodoxe Ekklesiologie nach dem römisch-katholischen Modell umzugestalten … durch Anstrengungen, die eigenen nichtexistenten und nie existiert habenden Machtbefugnisse in der Orthodoxen Kirche zu festigen“.
Alle oben angeführten Zitate beweisen, dass das Entstehen einer neuen Irrlehre, welche das Dogma über die Kirche entstellt, nicht unbemerkt geblieben ist: Um diese anzuprangern, haben sowohl einzelne Autoren als auch Konzilien ihre Stimme erhoben.
Es ist sehr traurig zu erkennen, dass der alte Konstantinopler Stuhl erneut von der Häresie angesteckt ist, aber das ist mehr als ein bloßer Verdacht – das ist ein mehrfach bezeugtes Faktum. Gerade diese Häresie treibt, wie wir bereits betont haben, die Patriarchen von Konstantinopel dazu, unkanonische Handlungen zu begehen, die auf die Festigung eben jener Macht in der Orthodoxen Kirche ausgerichtet sind, die sie sich selbst zuschreiben. Und dieser Prozess wird weder in der Ukraine noch in Makedonien zu Ende sein, solange nicht alle Kirchen ihre Auslandsgemeinden an Konstantinopel übergeben haben und seine Ansprüche bejahen.
Dieses Problem kann nicht mit diplomatischen Mitteln, mit Kompromissen und Bemühungen um eine Einigung gelöst werden. All dies hat zu keinen positiven Ergebnissen geführt. Mit den Worten des heiligen Markos von Ephesus: „Nichts, was sich auf die Kirche bezieht, wird jemals durch Kompromisse korrigiert: Es gibt nichts in der Mitte zwischen Wahrheit und Lügen».
Es bedarf eines Gesamtorthodoxen Konzils
Wie immer in der Kirche wird ein dogmatisches Problem nur durch die konziliare Verurteilung der Häresie und der Häretiker geheilt, durch ihre Absetzung und durch Einsetzung orthodoxer Bischöfe auf den von den Häretikern besetzten Stühlen. Dieser Weg ist zweifellos schmerzhaft, aber nur er führt zur Heilung des Leibes der Kirche. Und die zeitgenössischen Ereignisse zeigen, dass die Weigerung, dieses Problem kirchlich zu lösen, auch nicht schmerzfrei ist. So schmerzt es bereits die Gläubigen der kanonischen Kirche in der Ukraine. Aber sie könnten die letzten Opfer sein, wenn alle Ortskirchen den Willen zu einer gemeinsamen konziliaren Verurteilung des neuen Papismus finden. Und es ist notwendig, ein für allemal alles Hinkriechen zum Papismus zu verurteilen, damit in Zukunft ihm keine Kirche mehr verfällt, dass niemand sonst dem ersten und zweiten Rom folgt.
Ein Panorthodoxes Konzil muss einberufen werden, das sowohl die neue Lehre selbst wie auch ihre praktischen Auswirkungen in Gestalt gesetzloser Invasionen in die Gebiete anderer Kirchen nüchtern beurteilt.
Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass ein solches Konzil von Patriarch Bartholomaios besucht wird, denn als Teil seiner falschen Lehre proklamiert er die Idee, dass nur er alle orthodoxen Konzilien einberufen kann. So könnte er von niemandem gerichtet werden, denn es ist offensichtlich, dass Patriarch Bartholomaios selbst niemals ein Konzil einberufen wird, um seine Reden und Taten zu beurteilen.
Diese Idee widerspricht der Geschichte: Kein Ökumenisches Konzil ist vom Patriarchen von Konstantinopel einberufen worden; etliche Bischöfe dieses Stuhls sind darüber hinaus von manchen Konzilien abgesetzt und als Häretiker exkommuniziert worden. Und auch nach dem Zeitalter der Ökumenischen Konzilien hat die Kirche bedarfsweise die richterliche Gewalt über die Patriarchen von Konstantinopel ausgeübt. So hat z. B. nach dem Abschluss der Union von Ferrara-Florenz 1443 ein Konzil mit den drei östlichen Patriarchen in Jerusalem stattgefunden, welches den Häretiker-Patriarchen Mitrophanes abgesetzt hat. Zu dieser Zeit war der Erste der Ehre nach in der Orthodoxen Kirche der Patriarch von Alexandrien geworden, solange, bis wieder ein orthodoxer Patriarch auf den Konstantinopler Stuhl gesetzt wurde.
Patriarch Bartholomaios hat 2005 ein gesamtorthodoxes Konzil einberufen, bei welchem er die Absetzung des Patriarchen von Jerusalem Irenaios erlangt hat, obwohl die Handlungen, derer dieser angeklagt wurde, keine kanonischen Verbrechen waren, die eine Absetzung und noch weniger die nachfolgende Laisierung erfordert hätten. Die Handlungen und Behauptungen von Patriarch Bartholomaios selbst verdienen wesentlich mehr eine unbefangene Behandlung bei einem Panorthodoxen Konzil.
Und eine solche unparteiische Untersuchung sollte sicherlich die Tatsache berücksichtigen, dass die von den Patriarchen von Konstantinopel seit 1922 geförderte falsche Lehre dem Glauben ihrer alten Vorgänger auf diesem Stuhl widerspricht.
So hat Patriarch Germanos II. (1222-1240) beispielsweise gesagt: „Es gibt fünf Patriarchate mit bestimmten Grenzen für jeden von ihnen, aber in der Zwischenzeit ist unter ihnen kürzlich ein Schisma entstanden, dessen Anfang von einer frechen Hand gelegt wurde, die nach Dominanz und Herrschaft in der Kirche strebte. Das Haupt der Kirche ist Christus, aber jede Herrschaftserlangung steht im Widerspruch zu seiner Lehre». Leider haben sich seine modernen Nachfolger dafür entschieden, selbst die Herrschaft in der Kirche zu erlangen, indem sie offensichtlich dachten, dass es den Orthodoxen nicht genügt, unter der Herrschaft Christi zu stehen.
Dabei haben die Patriarchen von Konstantinopel im Altertum klar gesagt, dass sie dem Primat des römischen Papstes nicht aus dem Motiv heraus entgegenwirkten, einen eigenen Primat zu behaupten. Patriarch Nilos Kerameus (1380-1388) schrieb so an Papst Urban VI.: „Es ist ungerecht, wenn Etliche über uns sagen, wir wollten den Primat haben“. Der heutige Patriarch hat die Worte seiner Vorgänger zu Schanden gemacht, da er diese Anschuldigungen leider als völlig gerechtfertigt erscheinen lässt.
Weiter sind da noch die Worte aus der Enzyklika der vier Patriarchen von 1848: „Die Würde des römischen Stuhls besteht nicht in der Herrschaft und in der Hegemonie, die Petrus selbst nie bekommen hatte, sondern in der brüderlichen Seniorität in der Universalkirche und in dem Vorteil, der den Päpsten wegen der Berühmtheit und des Alters ihrer Stadt eingeräumt wurde … bei uns hat die Orthodoxie die katholische Kirche als die unbefleckte Braut für ihren Bräutigam bewahrt, obwohl wir keine weltliche Aufsicht oder ‚heilige Verwaltung’ haben, wir sind nur durch das Band der Liebe und des Fleißes gegenüber der gemeinsamen Mutter vereint, in der Einheit des Glaubens, der mit sieben Siegeln des Geistes besiegelt ist (Offb 5, 1), d.h. mit sieben Ökumenischen Konzilien und im Gehorsam gegenüber der Wahrheit“.
Unter diesen Worten steht die Unterschrift des Konstantinopler Patriarchen Anthimos VI., welcher, wie seine alten Vorgänger, dieselbe Ansicht in Bezug auf die Frage nach dem Primat in der Kirche teilte, die die Russische Orthodoxe Kirche heute ausdrückt. Von diesem Glauben hat sich das derzeitige Patriarchat von Konstantinopel abgekehrt, und zwar so deutlich, dass es ihn offen kritisiert und sogar als Ketzerei bezeichnet, wie es aus den Worten des ehemaligen Sekretärs des Synods des Patriarchats von Konstantinopel Archimandrit Elpidophoros (Lambriniadis, heute Metropolit von Boursa) ersichtlich ist, der verkündet hat, dass „die Weigerung, einen Primat in der Orthodoxen Kirche anzuerkennen, den Primat, der nur durch den Ersten verkörpert werden kann, nichts weniger ist als Häresie“.
Sogar die Römische Kirche hat mehr Zeit gebraucht, um zur Dogmatisierung der Lehre über den päpstlichen Primat zu kommen.
Es ist zu bedauern, dass man gerade in den griechischen Kirchen die Entstehung dieser Häresie übersehen hat. Es gab einen gewissen Widerstand im Patriarchat von Alexandrien Mitte des XX. Jahrhunderts, der anschließend aufhörte – wobei man Patriarch Bartholomaios sehr schwer als eine populäre Gestalt bezeichnen kann und es nicht wenige kritische Materialien über ihn in griechischer Sprache gibt. Er wird kanonischer Verbrechen und verschiedener Häresien angeklagt, aber darüber, dass man ihn der Häresie des Neopapismus bezichtigt, finden wir auf Griechisch fast nichts.
Papismus in den Dokumenten des berüchtigten Konzils auf Kreta
Das kretische Konzil
Betrachten wir das traurig berühmte Konzil auf Kreta, das zum Grund so vieler Ärgernisse und Trennungen wurde. Mit wie viel Kritik ihm gegenüber haben sich die intelligentesten Menschen geäußert! Man hat es sogar dogmatischer Irrtümer in seinen Dokumente bschuldigt, dabei hat aber niemand die vielfachen Metastasen der Häresie des Konstantinopler Papismus bemerkt, die in verschiedenen Konzilsdokumente eingedrungen sind – obwohl dieses Konzil unserer Überzeugung nach in der Tat gerade für eine gesamtorthodoxe Anerkennung der eigenmächtig angeeigneten Privilegien des Patriarchen von Konstantinopel einberufen wurde. Seine Akten haben für jede andere Orthodoxe Ortskirche keinen Wert, lösen keines der aktuellen gesamtorthodoxen Probleme. Aber es ist in den Konzilsdokumenten nicht wenig zugunsten des Patriarchats von Konstantinopel festgeschrieben, und im Folgenden werden wir einige Beispiele nennen.
Hier sollte man vorwegnehmen, dass die Papismusversion Konstantinopels nicht 100% mit der Version Roms übereinstimmt. Es gibt einige Unterschiede. Wenn zum Beispiel im römischen Papsttum, während die Person des Papstes erhoben wird, alle anderen Bischöfe als gleichberechtigt gelten, so werden in der Konstantinopler Version des Papismus die Vorrechte und Privilegien gewissermaßen auch auf die Bischöfe der Kirche von Konstantinopel ausgedehnt. Das ist in dem vom Kretischen Konzil verabschiedeten Dokument „Die orthodoxe Diaspora“ festgehalten. Im Abschnitt 2b wird die Geschäftsordnung bischöflicher Versammlungen in nicht-orthodoxen Ländern vorgeschrieben, wo u.a. angegeben wird, dass „die Versammlungen aus allen Bischöfen der jeweiligen Region bestehen und unter Leitung des ersten der zur Kirche von Konstantinopel gehörenden Bischöfen durchgeführt werden“.
Wie wir sehen, sollen nicht nur der Patriarch von Konstantinopel, sondern auch alle ihm untergeordneten Bischöfe das Vorrecht gegenüber allen übrigen Bischöfen aller anderen Ortskirchen besitzen, weshalb sie den Vorsitz der örtlichen Versammlungen der orthodoxen Bischöfe verschiedener Jurisdiktionen führen sollen – und nicht die ältesten nach dem Lebens- oder Weihealter, nicht die mit Tugenden geschmückten, erfahrenen und verehrten, sondern unweigerlich – die Bischöfe des Patriarchats von Konstantinopel. Als ob es sich um eine besondere, höhere Bischofskaste handeln würde, die allein schon wegen ihrer Nähe zum sogenannten „Ökumenischen Patriarchen» höhersteht als alle anderen.
Im Rahmen dieser Logik sollten auch die Priester des Patriarchats von Konstantinopel in der Kirche gegenüber den Priestern anderer Orthodoxen Kirchen Vorrang haben, und die Laien des Patriarchats von Konstantinopel sollten als die im Status höheren gegenüber den Laien anderer Kirchen angesehen werden.
Sogar die Lateiner sind nicht auf so etwas gekommen.
Viele Stellen der Dokumente von Kreta sprechen dem Patriarchen von Konstantinopel die Macht über die ganze Orthodoxe Kirche zu, darunter auch über die Gerichtsgewalt. Unter Anderem:
- „In grundlegenden allgemeinen Fragen, die … einer panorthodoxen Stellungnahme bedürfen, wendet sich der Vorsitzende der bischöflichen Versammlung an den Ökumenischen Patriarchen zum weiteren Vorgehen“ (Orthodoxe Diaspora, 6).
- „In panorthodoxer Konsultation soll der Ökumenische Patriarch den einmütigen Konsens unter den übrigen Orthodoxen Kirchen suchen“ (Beziehungen der Orthodoxen Kirche zur übrigen christlichen Welt, 10).
- „Auf dem Territorium der orthodoxen Diaspora soll außer durch panorthodoxe Übereinstimmung, vermittelt durch den Ökumenischen Patriarchen in Übereinstimmung mit panorthodoxer Vorgehensweise, keine autonome Kirche eingerichtet werden.“ (Autonomie und ihre Verkündungsweise, 2e).
- Bei „Unstimmigkeiten … sollen sich die beteiligten Seiten gemeinsam oder getrennt an den Ökumenischen Patriarchen wenden, damit eine kanonische Lösung in Übereinstimmung mit der panorthodoxen Vorgehensweise gefunden wird.“ (Autonomie und ihre Verkündungsweise, 2f).
Die Botschaft des Konzils von Kreta schlägt die Einrichtung des Heiligen und Großen Konzils als regelmäßige Institution vor, wobei das Recht auf Einberufung aus irgendeinem Grund nur vom Patriarchen von Konstantinopel wahrgenommen wird, was weder in der Geschichte noch in der Theologie der orthodoxen Kirche eine Grundlage hat.
Das Einberufungsrecht eines gesamtorthodoxen Konzils sollte aber nicht nur dem Ersten Vorsteher den Diptychen nach, sondern jedem Vorsteher einer Ortskirche zukommen. Die Einschränkung dieses Rechtes auf den Patriarchen von Konstantinopel allein macht die Einberufung des Konzils unmöglich, falls eine Ortskirche Ansprüche gegenüber dem Patriarchen von Konstantinopel hat, und erklärt ihn tatsächlich zu einer Person außerhalb der Gerichtsbarkeit der Kirche, was im Widerspruch zur kanonischen Ordnung der Orthodoxie steht, nach der alle Bischöfe von einem Bischofsgericht verurteilt werden können
Warum aber haben die griechisch-orthodoxen Autoren all dies und auch andere noch auffälligere Ausdrücke der Häresie des Papismus von Konstantinopel, die wir hervorgehoben haben, übersehen? Sollte es möglich sein, dass sie alle diese Häresie teilen? Oder sind sie bereit, um der nationalen Solidarität willen, diese hinzunehmen? Es fällt schwer, daran zu glauben, denn der Ruhm des orthodoxen griechischen Volkes bestand immer in seiner Ergebenheit gegenüber der Wahrheit, um deren willen die besten seiner Vertreter sich nicht gescheut haben, die Patriarchen von Konstantinopel anzuprangern, die in Häresie gefallen waren. So war es mit dem hl. Maximos dem Bekenner zu der Zeit der monothelitischen Patriarchen, so war es mit dem hl. Markos von Ephesus zu der Zeit der Union von Ferrara-Florenz, so war es mit dem hl. Meletios dem Bekenner zu der Zeit der Lyoner Union. Man könnte dazu noch weitere Beispiele geben. Für alle diese heiligen Griechen stand die Treue zur Wahrheit auf dem ersten Platz. Was hat sich heute geändert?
Denn es handelt sich nicht darum, dass man Partei „für die Russen“ oder „die Slawen“ nimmt, sondern darum, dass man sich für die Wahrheit engagiert. Wie viele Bekenner und Märtyrer des griechischen Volkes haben dafür gelitten, dass sie den westlichen Papismus nicht akzeptierten – soll man wirklich ansehen, dass ihre Nachkommen dieselbe Häresie untertänig akzeptierten, lediglich in eine östliche, griechische Hülle gehüllt? Möge das nicht passieren!
Es sollte noch kurz auf die Ansprüche des Patriarchen von Konstantinopel auf richterliche Gewalt und Schiedsgerichtsbarkeit in der gesamten Orthodoxen Kirche eingegangen werden, da diese Ansprüche Teil derselben Hülle sind. Natürlich ist dieser Artikel der dogmatischen Frage gewidmet, und deshalb berücksichtigen wir nicht die kanonischen Fragen, die in anderen Artikeln gut erörtert werden. Beim Anblick der systematischen Verletzung und Missachtung einer Menge Kanones seitens des Patriarchats von Konstantinopel, wird man gelähmt, wenn man zugleich die Erklärungen hört, dass „das Ökumenische Patriarchat dafür Verantwortung trägt, um die Sachen in eine kirchliche und kanonische Ordnung zu bringen“. Und diese Statements erklingen zu derselben Zeit, da dieses Patriarchat Kanones gänzlich abschafft, beispielsweise die Apostolischen Regeln, die die zweite Ehe von Klerikern verbieten.
Hat Konstantinopel das Appellationsrecht?
Obwohl es hier viel zu sagen gibt, würde das den Rahmen des Artikels sprengen. Aber es lohnt sich, ein Beispiel zu erörtern, nämlich den Anspruch auf richterliche Macht in der ganzen Kirche. In der schon erwähnten jüngsten Rede hat Patriarch Bartholomaios über ein „einmaliges Privileg der Konstantinopler Kirche, die Appellationen von Bischöfen und Geistlichen aus verschiedenen Ortskirchen zu empfangen, die nach Asyl suchen“ gesprochen. Dabei werden solche Erklärungen unter Berufung auf die 9. und die 17. Regel des IV. Ökumenischen Konzils abgegeben, durch die das Patriarchat von Konstantinopel angeblich ein solches Privileg erhalten habe. Dadurch wird u. A. die Einmischung in die ukrainischen Angelegenheiten und die Aufnahme exkommunizierter Schismatiker in die Kommuniongemeinschaft rechtfertigt.
Inwieweit diese Auslegung des Kirchenrechtes der Überlieferung der Kirche widerspricht, kann man verstehen, wenn man sie mit der Auslegung des hl. Nikodemos von Berg Athos in seinem berühmten „Pedalion“ vergleicht:
„Der (Patriarch) von Konstantinopel hat keine Macht, in den Diözesen und in den Grenzen anderer Patriarchen zu handeln, und dieser Kanon gibt ihm kein Recht der letzten Appellationsinstanz in der ganzen Kirche … Deshalb sagt Zonaras in der Auslegung des 17. Kanons dieses Konzils, dass der von Konstantinopel nicht über alle Metropoliten insgesamt als Richter gestellt wird, sondern nur über diejenigen, die ihm untergeordnet sind.
Der von Konstantinopel ist allein der erste und der letzte Richter für die ihm untergeordneten Metropoliten, aber nicht für die Metropoliten, die anderen Patriarchen untergeordnet sind, weil das Ökumenische Konzil allein der letzte und allgemeine Richter aller Patriarchen ist und niemand anderer“.
Wie wir sehen, wird die dogmatische Irrlehre durch eine falsche Auslegung der Kanones begründet, was ja nicht verwunderlich ist, da es um eine Lehre geht, welche der Orthodoxie fremd ist.
Natürlich können Anhänger dieser Lehre, wie jeder Häretiker, einzelne für sich günstige Zitate aus alten Texten, insbesondere solche aus Konstantinopel, heraussuchen, können sich auch an die Übernahme der Bulgarischen und der Serbischen Kirche durch Konstantinopel zur Zeit des Osmanischen Reiches erinnern – sehr zweifelhafte und umstrittene Handlungen, die Konstantinopel später korrigieren musste. Aber all dies ist nicht in der Lage, die Tatsache zu widerlegen, dass jedes Papsttum der orthodoxen Lehre fremd ist, sowohl im Westen als auch im Osten. Wie der hl. Märtyrer Gorazd von Tschechien schrieb, „hat die Ostkirche nur Jesus Christus als das Haupt der Kirche anerkannt und sich der Idee verweigert, einen einfachen Menschen als Haupt anzuerkennen … weil sie diese Idee als eine Folge des Mangels an den Glaube an das unsichtbare Haupt – Jesus Christus – und seine lebendige Steuerung des Leibes der Gesamtkirche sieht … sowie als unverträglich mit dem apostolischen Prinzip einer konziliaren Lösung kirchlicher Fragen, was sich beispielhaft in den Ökumenischen Konzilien zum Ausdruck gebracht hatte“.
Patriarch von Konstantinopel, nicht „der Ökumene“
Es lohnt sich auch, davon zu sprechen, wie das Patriarchat von Konstantinopel seine verschiedenen Ehrentitel für Begründung und Durchsetzung seines Papismus verwendet, vor allem den Titel des „Ökumenischen Patriarchen“. Wenn dieser früher einfach als ein Ehrentitel galt, wie z.B. der Patriarch von Alexandrien den Titel „Richter der Ökumene“ trägt, so wurde er in jüngster Zeit faktisch zur offiziellen und hauptsächlichen Selbstbezeichnung der Konstantinopler Vorsteher. Seit langem schon bezeichnen sie sich mit diesem Titel, indem sie darunter verstehen, dass ihre kirchliche Jurisdiktion sich buchstäblich auf das gesamte Universum erstreckt.
Als ein Beispiel für die Anwendung dieses Terminus kann man wieder die Worte von Metropolit Elpidophoros (Lambriniadis) anführen:
„Der Primat des Erzbischofs von Konstantinopel hat nichts mit den Diptychen zu tun, die lediglich die hierarchische Ordnung ausdrücken. … Wenn wir von der Quelle des Primats sprechen, so ist solche Quelle die Person des Erzbischofs von Konstantinopel selbst, der als Bischof Erster unter Gleichen ist, aber als Erzbischof von Konstantinopel und dementsprechend als Ökumenischer Patriarch ist er Erster ohne Gleiche“.
Ein solches Verständnis seiner „universalen Jurisdiktion“ hat sich auch darin ausgedrückt, dass die Bischöfe der Kirche von Konstantinopel im XX. Jahrhundert alle Länder der Welt untereinander aufgeteilt haben, mit Ausnahme derer, die sie selbst als zu anderen autokephalen Kirchen zugehörig anerkennen. D.h. sogar die Länder, wo es keinen orthodoxen Christ gibt, sind auch als kanonisches Gebiet irgendeines Bischofs der Kirche von Konstantinopel eingeschrieben. Und dieser Bischof wird sich ärgern und frenetisch protestieren, wenn irgendeine Kirche ihre Mission in dem Land eröffnet, wohin er niemals seinen Fuß gesetzt hat und wo er keinen Gläubigen hat – bloß kraft der erwähnten Aufteilung. Dass diese Aufteilung der Welt erst im XX. Jahrhundert zustande gekommen ist, entlarvt diese Lehre wiederum als eine neue und früher in der Kirche unbekannte, denn, wenn sie alt wäre, hätten die Konstantinopler Bischöfe eine solche Aufteilung viel früher durchgeführt.
Es ist hinreichend bekannt, dass, als der Titel „Ökumenischer“ von den Bischöfen von Konstantinopel anfangs benutzt worden war, diesem der hl. Papst Gregor der Große kategorisch entgegengetreten ist. Er schrieb u.a. an Patriarch Johannes von Konstantinopel: „Aufgrund Eures frevlerischen und mit Arroganz erfüllten Titels ist die Kirche getrennt und die Herzen Eurer Brüder sind in Ärgernis versetzt. … Wenn der Apostel Paulus vermieden hat, Christi Glieder vereinzelt einigen Häuptern unterzuordnen außer Christus selbst, obwohl diese Häupter selbst Apostel waren, was sagt Ihr dann Christus, der das Haupt der Gesamtkirche ist, bei der Prüfung im Jüngsten Gericht – Ihr, der sich durch seinen Titel ‚Ökumenischer’ anstrengt, sich alle seine Glieder unterzuordnen?“
Und da sind seine Worte aus dem Brief an die Patriarchen Eulogios von Alexandrien und Anastasios von Antiochien: „Niemand meiner Vorgänger hat zugestimmt, diesen unfrommen Titel [ökumenischer] zu gebrauchen, weil, wenn ein Patriarch tatsächlich als Ökumenisch bezeichnet wird, dadurch anderen der Patriarchentitel weggenommen wird“.
Die Patriarchen von Konstantinopel haben jedoch nicht auf die Worte des orthodoxen Papstes, des hl. Gregor des Dialogen, gehört, der damals als der Erste der Ehre nach galt. Sondern dieser Titel wurde weiter gebraucht. Indem man seinen Gebrauch verteidigt, sagt man, dass er angeblich nicht in dem Sinne benützt worden sei, von dem der hl. Gregor schreibt, dass das nur ein schöner Titel in der Art von „Ökumenischer Lehrer“ und „Ökumenischer Bibliothekar“ gewesen sei, die so auch in der Reichshauptstadt gebräuchlich gewesen waren. Es kann sein, dass es anfangs so war, wenn man aber darauf blickt, wie dieser Titel letzten Endes gebraucht worden war, so kann man die Worte des hl. Gregor für prophetische halten.
Der hl. Gregor war nicht der einzige Papst, der dem Gebrauch dieses Titels entgegentrat. So lesen wir im zweiten Akt des VII. Ökumenischen Konzils, dass die Botschaft des römischen Papstes Hadrian an den Kaiser bekanntgemacht wurde. Im Originaltext dieser Botschaft finden sich neben der Verurteilung des Ikonoklasmus auch diese Worte:
„Wir waren sehr überrascht, als wir feststellten, dass in Ihren kaiserlichen Erlassen, in denen es um den Patriarchen der kaiserlichen Stadt geht, d.h. um Tarasios, dieser auch als der Ökumenische bezeichnet wurde. Wir wissen nicht, ob es aus Unwissen oder aus der Eingebung unfrommer Schismatiker oder Häretiker geschrieben wurde; kategorisch bitten wir aber Ihre huldreiche Kaisermacht, dass er keine seiner Schreiben jemals als der Ökumenische unterzeichnet, weil das den heiligen Kanones und der Überlieferung der heiligen Väter offensichtlich zuwider ist. …. Von daher, wenn irgendjemand ihn als Ökumenischen bezeichnet oder dazu seine Zustimmung gibt, sei es ihm bekannt, dass er dem orthodoxen Glauben fernsteht“.
Obwohl es eine große Wahrscheinlichkeit gibt, dass diese Botschaftsstellen während ihrer Verlesung am Konzil nicht ins Griechische übersetzt wurden, sehen wir nichtsdestoweniger, dass der damals als Erster geltende Vorsteher schon zum zweiten Mal offen den Gebrauch des Titels „Ökumenischer“ für den Patriarchen Konstantinopels kritisiert und verbietet. Diese Zeugnisse geben Anlass, von einer Illegitimität beim Gebrauch dieses Titels zu reden. Von daher sollten orthodoxe Autoren auf die Benennung „Ökumenischer Patriarch“ verzichten, sondern ihn als „Patriarch von Konstantinopel“ bezeichnen, damit der Titelgebrauch selbst die Verbreitung der Häresie des neuen Papismus nicht unterstützt.
Die Mutterkirche?
Ein anderer Titel, den Konstantinopel aktiv zur Begründung seiner Ambitionen benützt, ist „Mutterkirche“, obschon dieser Titel, wie auch der vorhergehende, dem Konstantinopler Stuhl von keinem Ökumenischen Konzil verliehen wurde, sondern eigenmächtig übernommen wird.
Er ist nur im Kontext und nur in Bezug auf die Kirchen, die von der Konstantinopler Kirche ihre Autokephalie bekommen haben, völlig gerechtfertigt. Er wird jedoch in einem breiteren Sinne gebraucht. In der obengenannten Ansprache spricht Patriarch Bartholomaios z. B. von seinem Patriarchat als von „der fürsorglichen Mutter und Kirchengebärerin“ zur Begründung seiner Ansprüche auf den Sonderplatz in der gesamtorthodoxen Gemeinschaft. Aber ein solches Selbstverständnis der Kirche von Konstantinopel als Mutter aller Kirchen ist offensichtlich absurd, insofern viele alte Patriarchate historisch der Entstehung Konstantinopels vorangehen: Wie kann es ihre Mutter sein? Wenn eine Kirche zurecht diesen Titel beanspruchen kann, so ist das die Kirche von Jerusalem. Ihr besonderer historischer Beitrag wurde immer von allen Kirchen anerkannt, aber er wurde nie als Recht auf Herrschaft und Macht verstanden.
Aber Konstantinopel gebraucht den eigenmächtig angeeigneten Titel „Mutterkirche“ zur Begründung seines Bestrebens, die übrigen autokephalen Kirchen seiner Macht unterzuordnen, die ihm gehorsam und unterwürfig sein sollten, wie Töchter gegenüber ihrer Mutter. Obgleich, wie Archimandrit Sofronij (Sacharow) betont hat, auch wenn man annimmt, dass Konstantinopel „sich wirklich als die allen Kirchen gemeinsame Mutter bezeichnen darf, … wäre dies sowieso eine Abweichung von der orthodoxen Trinitätslehre, derzufolge die Vaterschaft und die Sohnschaft die Gleichheitsfülle nicht aufheben, die Unterordnung aus dem Fakt der geschichtlichen Mutterschaft abzuleiten. Das aus einem Wesen Geborene ist dem Gebärenden gleich. So haben die Heiligen Väter gedacht.“
Und insbesondere zynisch klingen die Worte aus dem Mund von Patriarch Bartholomaios von „der fürsorglichen Mutter“. Keine fürsorgliche Mutter handelt an ihren Kindern so, wie Konstantinopel gegenüber der Russischen Kirche handelt und etwas früher gegenüber der Kirche von Griechenland. Wenn man doch das Wort „Mutter“ auf das Patriarchat von Konstantinopel anwendet, so illustriert sie eher das widerliche heidnische Bild der Mutter, die ihre Kinder auffrisst. Und wer wird den Kindern vorwerfen, dass sie sich entscheiden, eine solche Mutter zu verlassen?
Dass die russische Kirche die eucharistische Gemeinschaft mit Konstantinopel abgebrochen hat, wäre gerechtfertigt, auch wenn sie sich darauf beschränken würde, einer Übeltat gesamtkirchlichen Maßstabs zu widerstehen und die eigenen Kinder vor der Kommunio mit jenen zu schützen, die in die Kommunio mit Schismatikern eingetreten sind. Aber alles ist noch ernsthafter. Die Russische Orthodoxe Kirche ist die erste geworden, die sich geweigert hat, sich der Häresie des Papismus unterzuordnen, die das Patriarchat von Konstantinopel auferlegt.
Und die übrigen Ortskirchen müssen früher oder später dieselbe Wahl treffen, eine Wahl nicht zwischen „Russen“ und „Griechen“, sondern zwischen Orthodoxie und Häresie.